Von: Patrick Andrieu
Datum: Mittwoch, 10. Januar 2007 13:00
An: Kunde
Betreff: Ihre Website-Analyse
Hallo Kunde,
bei unserer letzten Zusammenkunft Anfang Dezember hatte ich Ihnen versprochen, mir Ihre Website anzuschauen und eine kleine Kritik Ihrer Internetpräsenz zu verfassen. Ich komme leider erst heute dazu, da ja, wie Ihnen bekannt ist, andere Aufgaben Vorrang hatten!
Bei einer Website geht es in erster Linie darum, von den Besuchern gesuchte Informationen zu liefern. Das Design tritt, abgesehen vielleicht vom Sonderfall Künstlerwebseiten, in den Hintergrund. Der Besucher will etwas wissen, wenn es schön verpackt ist, schadet es zwar nicht, jedoch sollte das Design der Suche nach Informationen nicht hinderlich sein.
Bei kunde.example.org sind die Informationen leicht erreichbar, die Themen klar gegliedert und die Navigation über die grüne Navigationsleiste einfach und praktisch. Das Design ist schlicht aber ansprechend und absolut passend für eine Site über Ihr Fachgebiet. Die Seiten sehen im Internet Explorer (Version 6), Opera (9.01) und Firefox (1.5.0.7) und Mozilla gleich aus. Somit dürfte die Mehrzahl der "Netizens" problemelos Ihre Website besuchen können und so Zugang zu den von ihnen gesuchten Informationen haben.
Dennoch gibt es verschiedene Kritikpunkte, einige davon sind sogar für eine beauftragte "Webdesign-Agentur" unverzeihlich. Das Folgende wird an einigen Stellen etwas technisch, da ich auch den Code (Quelltext) unter die Lupe genommen habe. Dafür stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung, sollten noch Fragen hierzu bestehen.
Ich habe die Kritikpunkte in drei Gruppen geteilt. Am Ende schlage ich eine oder zwei Verbesserungen vor.
Kritikpunkte, "mit denen man leben kann":
- kein valides HTML
Der Quelltext entspricht nicht den Standards des W3C (World Wide Web-Consortium, http://www.w3.org). Das W3C ist das Gremium zur Standardisierung der das World Wide Web betreffenden Techniken. Das Einhalten der W3C-Standards bietet als Vorteil eine größere Cross-Browser-Fähigkeit: Valide Seiten "sollten" von allen Browsern gleich interpretiert und somit nahezu identisch dargestellt werden. Ferner sorgt es für eine größere Reichweite und bietet Zukunftssicherheit: valide Seiten werden auch in Jahren nutzbar sein.
Heute sollte ein beauftragter Webdesigner auf jeden Fall validen Code liefern.
- die Seiten sind in einem Frameset gepackt
Frames (Rahmen) bieten mehr Nachteile als Vorteile. Zwar wird der Auftraggeber dadurch geschmeichelt, dass z.B. immer schön http://www.kunde.example.org in der Adresszeile steht, egal welchen Menüpunkt der Besucher angeklickt hat. Es hindert jedoch unbedarfte User daran, einzelne Seiten (Unterseiten) zu bookmarken und später über die "Favoriten" direkt aufzurufen.
Für Ihre Internetpräsenz ist ein Frameset nicht notwendig.
- die Schriftgröße ist in Pixel angegeben und lässt sich im Internet Explorer (zumindest bis Version 7) nicht skalieren (z.B. über den Menüpunkt Ansicht/Schriftgrad).
Kritikpunkte, die eine nähere Betrachtung bedürften:
- Der Text hat eine starre Breite
Hier sehe ich einen großen Nachteil: Verringert man die Fenstergröße, passt sich der Text nicht nach unten an. Es erscheint auch keine vertikale Scrollleiste, die ein Lesen des am rechten Fensterrand weitergehenden Texts ermöglichen würde. Die Folge davon ist, dass User mit kleinen Auflösungen oder die - wie ich - nicht mit Fenstern in voller Größe navigieren, den Text nicht komplett lesen können. Sie müssen hierfür ihre Fenster maximieren oder in der Größe nach rechts verändern - was manche Besucher absolut nicht mögen.
- Das Impressum sollte in der Navigationsleite aufgenommen werden
Laut Telemediengesetz ist bei gewerblichen Websites eine Anbieterkennung (allg.: Impressum) Pflicht. Sie soll von jeder Unterseite der Site aus schnell (max. eins bis zwei Klicks) erreichbar sein. Daher sollte der entsprechende Menüpunkt nicht nur "Kontakt" genannt werden, sonder "Kontakt/Impressum" oder einfach "Impressum".
Kritikpunkte, die zwar nicht sichtbar und der Funktionalität Ihrer Website nicht hinderlich sind, jedoch für einen beauftragten Webdesigner unverzeihlich sind:
- Neben dem weiter oben erwähnten Punkt der mangelnden Standardkonformität enthält der Code zudem sehr viele Fehler. Zum Beispiel gehört die Referenzierung der externen CSS-Datei (<link rel="stylesheet" ...>) nicht in den <body> sondern darf nur im <head>-Bereich notiert werden.
- Wenn CSS zur Schritformatierung benutzt wird (was angesichts einer empfohlenen Trennung von Layout und Inhalt richtig ist), ist der nicht mehr übliche font-Tag überflüssig.
- Wenn eine externe CSS-Datei zum Einsatz kommt, sollten die Formatierungsangaben für die gefärbten Scrollleisten des Textcontainers mit in diese CSS-Datei aufgenommen werden, oder aber in den <head>-Bereich und nicht mitten im Quelltext irgendwo im <body>.
Abgesehen davon gehören die Microsoft-proprietären Anweisungen zur farblichen Gestaltung der Scrollleisten nicht zum CSS-Standard, da anders aussehende Bedienelemente viele Nutzer nur verwirren.
- der <noframes>-Bereich der Startseite ist leer
- der meta-Tag "author" kommt auf der Frameset-Seite zwei Mal vor, einmal mit Ihrem Namen als Autorin, einmal mit dem Namen der Webagentur. Das kann zur Folge haben, dass Suchmaschinen unter dem Punkt Autor den Namen der Agentur speichern - aber nicht Ihren Namen
- die Auflistung der Fachbereiche und Erfahrungen auf der Seite »Über mich« ist absolut unprofessionell umgesetzt worden. Hierzu bietet HTML die Tags <ul>, <li> (für Liste) sowie andere Möglichkeiten. Stattdessen wurden die Einrückungen mit einer hässlichen (wohlgemerkt, im Quelltext - auf der Webseite selbst sieht es gut aus) Anreihung von no-break-spaces-Zeichen ( ) realisiert, was eher an Anfänger-Arbeit erinnert.
Verbesserungsvorschläge:
- da die Seite über "Exoten" auf drei weiteren Unterseiten verweist, könnte man aus dem Menüpunkt "Exoten" in der grünen Navigationsleiste ein Aufklappmenü machen, so dass beim Drüberfahren mit der Maus eben diese 3 Punkte aufgezeigt werden
- bei zwei oder drei Unterseiten ist der linke Bereich leer. Zum Vergleich haben Sie auf den Seiten "Startseite" und "Über mich" ein Foto, und auf der Seite "Exoten" stehen die Links zu den drei genannten Angeboten. Bei Konzeption und Kontakt würde ebenfalls ein Foto, eine Skizze oder etwas "Füllendes" dem Ganzen einen einheitlicheren Charakter geben
Fazit:
Sollten Sie etwas unternehmen? Nun ja, das hängt von Ihnen ab und davon, ob Sie diese Kritikpunkte stören. Wie erwähnt tun die kritisierten Fehler der Erreichbarkeit und Funktionalität Ihrer Präsenz keinen Abbruch. Es steht Ihnen also frei, ob Sie die Agentur mit den hier erwähnten Kritiken konfrontieren möchten oder nicht. Sicher spielt hier der damalige Auftragsumfang und der bezahlte Preis auch eine Rolle.
Mich hat es jedenfalls gefreut, meinem damaligen Versprechen nachzukommen und diese "Studie" verfasst zu haben! Sehen sie diese E-Mail also als eine Möglichkeit, mich in Ihre Erinnerung zu bringen, denn - wer weiß - vielleicht gibt es in Ihrem Bekanntenkreis eine Person, die bald eine standardkonforme Website braucht!
Mit freundlichen Grüßen aus dem Frankfurter Ostend,
Patrick Andrieu
webmaster@atomic-eggs.de
www.atomic-eggs.com
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Von: Kunde
Datum: Mittwoch, 13. April 2007 14:00
An: Patrick Andrieu
Betreff: Re: Ihre Website-Analyse
Hallo Herr Andrieu,
(...) Ich habe also im Februar
Ihre kritischen Anmerkungen weitergemailt mit der Bitte um Reaktion und
erhielt quasi umgehend eine recht überheblich formulierte Absage - mit der
Folge, dass ich die Agentur nun nicht mehr weiterempfehle, weil sie so wenig
selbstkritisch und auch wenig kundinnenorientiert ist.
Also werde ich bei Nachfragen im Hinblick auf meine Erfahrungen Ihre Adresse
weitergeben!
Mir hat Ihre Ausführung immerhin einen Einblick in die Technik einer
homepage gestattet und mir Beurteilungskriterien geliefert.
(...)
Grüße und einen schönen Frühling!
Kunde